Célébration du soir

3 fois par an, les dominicains de Zurich proposent une soirée festive pour réunir un cercle germanophone d'amis.

Il s'agit de vêpres festives au cours desquelles un invité nous partage une breve prédication sur un thème dominicain. Elles sont toujours suivies par un temps conviviale.

Ces soirées ont lieu dans l'église et les salles de la Mission catholique de Langue Française (MCLZ).

Impuls zur Vesper

02.02.2020 - Alberto Bondolfi

Francisco de Vitoria op: Ein Hoftheologe, aber kein Kurtisan an der Wende zur Neuzeit: Der Titel des Impulses unseres Vespergebetes braucht eine kurze Erklärung. Die Unterscheidung zwischen dem Hoftheologen und dem Kurtisan stammt nicht aus dem sechzehnten Jahrhundert, sondern geht auf ein autobiographisches Treffen zurück, stattgefunden im Tessin vor einigen Jahrzehnten. Ein Freund von mir wurde von Bischof Martinoli zum canonicus theologus des Kapitels der Luganer Kathedrale und zum theologischen Beraters des Ordinariates ernannt. Ich traf den Freund in der Stadt Lugano und teilte ihm meine Glückwünsche zur Ernnenung mit den Worten: “tanti auguri, nun bist Du ein Hoftheologe geworden”. Seine prompte Antwort hinterliess bei mir einen positiven Eindruck: “grazie per gli auguri, Hoftheologe ja bin ich geworden, aber ich bin kein Kurtisan!”. 
Die Unterscheidung kam mir in den Sinn als René Aebischer mich am Telephon fragte, ob ich bereit wäre, einmal bei unserer Vesper einen Impuls zu einem Mitglied des Predigerordens zu geben. Die Unterscheidung passt in der Tat optimal zu Francisco de Vitoria, zu seinem Leben und Wirken und ich hoffe, dass die knappen Elemente seiner Vita sowie die Grundinformationen zu seinem Werk, welche ich nun hier schildern werde, die Plausibilität der Bezeichnung von Francisco de  Vitoria als ein Hoftheologe, der kein Kurtisan sein wollte, bestätigen wird.
Wir besitzen wenige Informationen zur Biographie des genannten Theologen und darüber hinaus  verfügen wir über keine autobiographische Beschreibung der verschiedenen Etappen seines theologischen Engagements. Die historische Forschung über Francisco und über das intellektuelle Milieu der sogenannten Schule von Salamanca, in dem unser Dominikaner gewirkt hat, hat bereits eine lange Diskussion über seinen Geburtsort und  das Geburtsdatum hinter sich und konzetriert sich nun auf das Studium der familiären Umgebung in der er gross geworden ist und auf die intellektuelle Athmosphäre in der der junge Philosophie- und Theologiestudent sich gebildet hat. 
Francisco de Vitoria wurde nicht in Vitoria, in dieser Stadt des Baskenlandes geboren, sondern in Burgos. Sein Vater liess sich Pedro de Vitoria nennen, weil er tatsächlich aus dieser Stadt stammte, wollte aber auf seinem Familienname Arcaya verzichten, weil er in Burgos wegen der baskischen Herkunft ausgelacht wurde. Die Mutter von Francisco stammte aus einer angesehenen Familie von conversos, d.h. aus einer jüdischen Familie, welche mehr oder weniger freiwillig zum Christentum konvertiert hatte. Wir wissen nicht, ob diese Herkunft eine gewisse Rolle in der Erziehung des jungen Francisco gespielt hat oder nicht. Sicherlich muss der Einfluss einer katholischen Erziehung prägend gewesen sein, da nicht nur Francisco, sondern auch sein Bruder Diego  relativ bald in die religiöse Gemeinschaft der Predigerbrüder eingetreten sind. Als einige Jahrzehnte danach das Kloster von San Esteban von Salamanca den General der Dominikaner bat, Brüder welche aus einer jüdischen Familie stammten auszuschliessen und in anderen Klöstern zu plazieren, wurde eine Ausnahme statuiert. Diese Regel sollte für Dozenten nicht gelten und somit konnte Francisco de Vitoria seinen Lehrstuhl und seinen Aufenthalt in San Esteban in Salamanca bewahren.  
Im Jahr 1505 fing Francisco sein Noviziat im Kloster san Pablo in Burgos an und schon drei Jahre später wird er nach Paris ans berühmte dominikanischen Collège Saint Jacques gesandt, um seine Ausbildung zu vervollkomnen. Francisco bleibt während 17 Jahren in Paris und dieser Aufenthalt wird seine weitere intellektuelle Biographie entscheidend prägen. Zwei philosophische und theologische Strömungen üben einen entscheidenden Einfluss auf den jungen Dominikaner aus: einerseits die sogenannte nominalistische Philosophie und andererseits der Humanismus, vor allem vertreten durch die Schriften von Erasmus. Mit Erasmus unterhielt Francisco keinen direkten Kontakt, aber es gab zumindest einen Briefwechsel. Der junge Bruder des Predigerordens war ein überzeugte Verehrer des holländischen Humanisten und verteidigte ihn vor anderen spanischen Theologen, unter denen auch sein Bruder Diego sich befand. Zeuge dieser Positionierung von Francisco de Vitoria ist ein Brief des Humanisten Vivés an Erasmus, in dem er von der Freundschaft zwischen ihm und dem spanischen Dominikaner redet und die intellektuellen Qualitäten von Francisco lobt. 
Im Bereich der Theologie kam Francisco vor allem in Kontakt mit verschiedenen Lehrern, welche zwei Tendenzen der damaligen Forschung begünstigten: zuerst eine gewisse Nähe zum Konziliarismus und dann ein ausgeprägtes Interesse für das theologische Werk des Thomas von Aquin. Die Nähe zum Konziliarismus wird Folgen in den folgenden Jahren unseres Theologen in Spanien zeitigen, stattdessen vollendete die Wiederentdeckung des Thomas von Aquins vollendete bereits in Paris ihre Wirkung. Francisco de Vitoria konnte den Bruch einer Tradition beim Theologieunterricht direkt beobachten und positiv schätzen. Bis dato wurde der Theologieunterricht nach den mittelalterlichen Traditionen organisiert. Alle Studenten mussten die Bibel durch ihre Auslegung in der Lectio kennenlernen. Die Probleme der systematischen Theologie wurden durch die kommentierte Lektüre der Sentenzen von Petrus Lombardus erörtert. Dieser Text war eine Pflichtlektüre praktisch für alle Theologiestudenten im ganzen Europa. Auch Luther etwa musste sich durch dieses Handbuch in die Theologie einarbeiten. Die Sentenzen des Lombardus war eine Auflistung der Hauptthemen und –Probleme der Theologie, geschmückt mit vielen Zitaten der Kirchenväter und vor allem der Werke von Augustin. Es fehlte eine strikte Systematisierung der Themen und vor allem eine argumentierende Auseinandersetzung mit den verschiedenen Positionen, welche in der Theologie vertreten waren. In Paris wurde diese pädagogische Tradition gebrochen und der Text der Summa theologiæ des Thomas wurde im Unterricht direkt beigezogen.  
Im Jahre 1523 kommt dann Vitoria nach Spanien zurück und zuerst unterrichtet er in Valladolid. Drei Jahre später erhält dann Francisco den angesehensten theologischen Lehrstuhl Spaniens, die sogenannte catedra de prima. Seine Lehrtätigkeit besteht vor allem in der freien Kommentierung der Summa theologiæ. Weil er auf die mittelalterliche Tradition des Diktierens verzichtete, kennen wir heute seine Gedanken nur mittels  der schriftlichen Abschrift seiner Vorlesungen durch die Studenten. Zum Glück kannte die Universität von Salamanca auch eine andere Tradition: am Anfang jeglichen akademischen Jahres gaben die Professoren eine sogenannte Relectio, d.h. eine öffentliche Vorlesung, welche schriftlich fixiert war und danach auch breit verbreitet wurde. So verfügen wir heute über eine relativ sichere Version der meisten Relectiones von Francisco de Vitoria verfügen. Diese Texte behandelten konkrete gesellschaftliche Probleme, welche nicht nur die Theologiestudierenden, sondern viele gesellschaftliche Schichten bis zur politischen Elite des Landes interessierten. Vitoria hielt 15 solche Relectiones und zum Glück sind 13 davon bis heute erhalten. Drei davon möchte ich nun kurz erwähnen, da sie diejenige sind, welche eine breite gesellschaftliche und politische Wirkung erfahren haben und zur Berühmtheit unseres Dominikaners, jenseits der konfessionellen und nationalen Grenzen, geführt haben.
Vitoria fängt 1528 dezidiert an und zwar mit einer Vorlesung “über die staatliche Gewalt”, de potestate civili. Es ging damals allgemein um die Frage, ob die gesamte Menschheit unter einer zentralen Autorität stehe, und wer sie verkörpere. Einige Autoren nannten den Kaiser allein, andere den Papst allein, und viele versuchten eine Mischform zwischen den beiden Doktrinen zu formulieren.  Selbstverständlich waren solche Positionen nicht nur in Spanien vertreten, sondern in der gesamten mittelalterlichen Christenheit. Das Besondere an der spanischen Situation war die Tatsache, dass die Partei der Potestas directa-Lehre noch stark verbreitet war.
Diese Doktrin, in welcher der Papst eine direkte politische Gewalt hat und zwar über die ganze Welt, wurde in Spanien bis im 16. Jahrhundert von einigen Theologen weiterhin vertreten, und zwar in einer Zeit wo sie im restlichen Europa, und nicht nur in protestantischen Gebieten, als obsolet betrachtet wurde. Die Gründe für diese scheinbar "verspätete" Verteidigung der Potestas directa-Lehre sind vor allem innenpolitischer Natur und sind also nicht in der Theologie der damaligen Zeit zu suchen. 

Die Erfahrung der Reconquista, d.h. der Wiederbesetzung der Territorien der iberischen Halbinsel, die von Muslimen besetzt waren, brauchte auch eine sozialethische Legitimation, und diese wurde optimal in der neuausgelegten Version der potestas directa Lehre gefunden. Diese Rückeroberungsoperation wurde legitimiert indem man behauptet hat, man würde diese Territorien dem „eigentlichen“ Besitzer, nämlich dem heiligen Stuhl, wiederzurückgeben und sie erst verwalten, wenn dazu ein Patronatsrecht durch den Papst statuiert worden ist. Bei der Eroberung des amerikanischen Kontinentes seit 1492 wurde diese Indienstnahme einer mittelalterlichen Lehre zur Legitimierung der kolonialen Operation dann noch intensiviert. 
Francisco de Vitoria war der theologischen sowie der ethischen und politischen Herausforderung der Ereignisse um die sogenannte Entdeckung der neuen Länder ohne weiteres bewusst und reagierte entsprechend sehr sorgfältig und mutig zugleich. Einerseits informierte er sich bei den eigenen Mitbrüdern, welche seit einigen Jahren vor Ort sehr aktiv waren und viele Misstände der Kolonisierung bereits scharf kritisiert hatten. Seine Informationsquellen sind uns zum Glück heute relativ gut bekannt. Andererseits versuchte Francisco stets den Kontakt mit dem Königshaus zu bewahren und widersetzte sich gegen die Massnahmen der spanischen Krone, welche die Tätigkeit der Dominikaner in Mittelamerika zu unterbinden versuchte. Vitoria bewegt sich in einer hoch unangenehmen Zwickmühle zwischen dem Orden (der auch nicht unbedingt in der amerikanischen Sache immer einig war), der Inquisition und der spanischen Krone. Er versteht trotzdem seine Aufgabe als Theologe sehr umfassend, heute würden wir sagen als eine “interdisziplinäre Angelegenheit”. Bereits in seiner ersten Relectio über die staatliche Gewalt behauptete er: “Das Amt des Theologen ist derart ausgedehnt, dass kein Thema, keine Kontroverse, kein Gegenstand seinem Beruf fremd zu sein scheint”. Die Aussage wurde damals sehr breit kommuniziert und fast ein Jahrhundert danach entgegnete dann ein italienischer und protestantischer Jurist, der Italien verlassen musste und in England ansässig wurde, ebenso dezidiert nahm Stellung gegen Vitoria: “silete Theologi in munere alieno”, schweigt also Theologen in einer Angelegenheit, welche euch gar nichts angeht. 
Unbeirrt schreibt dann Vitoria im Jahre 1539 die Relectio “de Indis recenter inventis” und systematisiert seine Position zu den verschiedenen Fragen, welche mit der Conquista eng verknüpft sind. Ich nenne sie einfach, ohne jegliches Anspruch auf Vollständigkeit geschweige denn auf nur eine summarische Behandlung: sind die Indios echte Menschen oder halbe Tiere? Ist ihre Seele unsterblich? Wie sollte man sie taufen? Sind ihre politischen Autoritäten echt, obwohl sie kaum wissen, dass der Papst Herr über die ganze Welt ist? Sind ihre Ehen gültig, obwohl sie nicht nach unseren Regeln geschlossen worden sind? 
Vitoria bemüht Elemente aus der Rechts- und aus der politischen Philosophie, verknüpft sie mit theologischen Überlegungen und vor allem verbindet er sie mit einer Grundlagereflexion über die innere Einheit der Menschheit, unabhängig davon ob diese Menschen von Christus und von seiner Botschaft Notiz erhalten haben oder nicht. 
Francisco ist vor allem bemüht, eine überparteiliche Einstellung zur Bewältigung aller dieser so verschiedenen Probleme zu finden. So verteidigt er das Recht der Spanier, die christliche Evangelisierung der neuen Völker durchzuführen, sowie das Ius migrandi d.h. das Recht sich frei bewegen zu dürfen. Falls die Indios diese gewaltlose Evangelisierung mit Zwang verhindern würden, wäre dann ein “gerechter Krieg” gegen sie ohne weiteres legitimierbar. 
Diese öffentliche Äusserungen an der Universität Salamanca provozierten, obwohl die Texte Vitorias nicht im Druck erschienen, eine heftige Reaktion durch den Kaiser. Karl V war aber zugleich diplomatisch genug, um den Namen unseres Dominikaners nicht explizit zu nennen. Somit konnte Francisco seine akademische Lehrtätigkeit weiter verfolgen. Mit zunehmenden Alter bat er die theologische Fakultät um eine Umdisponierung seines Lehrstuhls von der catedra de prima zu catedra de visperas. Der Kaiser lud dann Francisco de Vitoria zum Konzil von Trient ein und dieser lehnte, mit einem rührenden Brief und mit Berufung auf seinem Gesundheitszustand, die Einladung höflich ab. Die Fakultät von Salamanca wurde immerhin durch einen qualifizierten Mitbruder, nämlich Domingo de Soto, in Trient kompetent vertreten. 
Vitoria hat zu Lebzeiten fast nichts im Druck veröffentlicht, da die Buchindustrie in Spanien noch nicht so entwickelt war, wie etwa in Flandern oder in Venedig. Alle seine Relectiones erschienen dann erst im Jahre 1557 in Lyon und einige Jahre später dann auch in Salamanca. Die Reaktion der römischen Kurie kam dann relativ rasch. Der Papst Sixt V entwarf ein Verzeichnis der vebotenen Bücher in dem auch die Vorlesungen von Vitoria figurierten. Durch die Intervention einer spanischen Delegation wurde zum Glück diese Verurteilung nicht definitif. 
Das Werk von Vitoria verbreitete sich aber im ganzen Europa, jenseit aller konfessionellen und politischen Schranken hinweg. Hugo Grotius, der höllandische Vater des modernen Völkerrechts, konnte Zugang zu den Werken Vitorias haben. Er zitiert ihn oft und immer in einem positiven Sinn. Er bezeichnet ihn als doctor hispanus ohne den Namen zu erwähnen, da Grotius als reformierter Rechtsgelehrter, sich kaum leisten konnte, einen “papistischen” Autor als positive Referenz zu erwähnen. 
Was kann Francisco de Vitoria uns heute noch mitteilen? Die Antwort fällt nicht leicht aus, obwohl seine und unsere Zeit gewisse Ähnlichkeiten aufweisen. Inspirierend und für uns sicherlich heute noch verbindlich ist die Betonung des universalen Charakters der Gerechtigkeit und des Rechts: es gibt nicht verschiedene Gerechtigkeitsmasstäbe für Christen und Nichtchristen, für Europäer und Indios. Die Menschheit ist grundsätzlich eins, trotz der Vielfalt der Völker und der politischen Ordnungen und die christliche Heilsbotschaft gilt allen Menschen, wo immer sie leben. 
Die Aktualität dieses Ansatzes ist frappant: in einer Zeit wo viele Stimmen zwischen Freunden und Feinden unterscheiden wollen, zwischen Einheimischen und Fremden trennen wollen, zwischen Guten und Bösen definitif urteilen wollen, gilt es das Primat des Gewissens zu behaupten und zu verteidigen. Die Stimme Vitorias sollte für uns alle Ansporn und Hilfe zugleich sein. 

03.02.2019 - Josef Annen

Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis zum heutigen Tag seufzt und in Geburtswehen liegt. Aber auch wir, obwohl wir als Erstlingsgabe den Geist haben, seufzen in unserem Herzen und warten darauf, dass wir mit der Erlösung unseres Leibes als Söhne offenbar werden. Denn wir sind gerettet, doch in der Hoffnung. Hoffnung aber, die man schon erfüllt sieht, ist keine Hoffnung. Wie kann man auf etwas hoffen, das man sieht? Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Geduld. (Röm 8, 22-25)

„Hoffen wir aber auf das, was wir nicht sehen, dann harren wir aus in Ge-duld.“ Das schreibt Paulus an die Gemeinde in Rom. Über das letztgenannte Wort Geduld möchte ich mit Ihnen etwas nachdenken.
Im griechischen Text steht für Geduld: Hypomoné. Hypomoné übersetzen wir je nach Kontext mit Beharrlichkeit, Standhaftigkeit, Stehvermögen, Widerstand, Geduld.
Das sind Grundhaltungen, die in unserer Zeit Not tun.
Unsere Welt ist in Krise. Die Globalisierung kommt an ihre Grenzen. Viele Nationen schauen zuerst für sich selbst. Solidarität bleibt auf der Strecke. Der Wille zur Erreichung der Klimaziele ist schwach.
In Krise ist auch unsere katholische Kirche. Die Schreckensnachrichten über sexuelle Übergriffe von Priestern, Bischöfen und Kardinälen werden uns auch dieses Jahr beschäftigen. Die Kirchenaustritte nehmen zu.
Da tut es uns gut, auf Gottes Wort zu hören.
Für den Apostel Paulus sind Krisenzeiten keine Ausnahmezeiten. Krisen sind der Normalfall in der Geschichte der Welt und der Kirche. Die gesamte Schö-pfung seufzt bis zum heutigen Tag und liegt in Geburtswehen. Und auch wir, die wir auf den Namen des dreifaltigen Gottes getauft sind, sind zwar grund-sätzlich gerettet, aber in uns ist noch vieles unerlöst. Darum schreibt Paulus: Hoffen wir auf das, was wir nicht sehen, halten wir aus in Beharrlichkeit, Standhaftigkeit, Stehvermögen, Widerstand, Geduld.
Beharrlichkeit, Geduld hat einerseits eine aktive Bedeutung. Sie fordert unsere besten Kräfte, unseren Einsatz für das Reich Gottes, das Evangelium. Aber die Kraft zur Ausdauer kommt letztlich nicht aus uns. Die Kraft zur Hypomoné kommt von Gott. Der Glaube an die Treue Gottes ist der Fels unter unseren Füssen.
Was der Apostel Paulus mit abstrakten Worten ausdrückt, das verheisst uns die Offenbarung nach Johannes in eindrücklichen Bildern.
Auch der Seher Johannes erlebt eine Krisenzeit. In Krise sind die jungen christlichen Gemeinden in Kleinasien. Stellvertretend für alle Gemeinden nennt Johannes deren sieben: Ephesus, Smyrna, Pergamon, Thyatira, Sardes, Philadelphia und Laodizea.
Werfen wir einen kurzen Blick auf die Gemeinden von Ephesus und Thyatira:
Ephesus war eine der grössten Städte im Römerreich. In Ephesus war das Heiligtum der Göttin Artemis mit dem entsprechenden Kult. Paulus hat dort eine christliche Gemeinde gegründet, dort hat er den Aufstand der Silber-schmiede erlebt, dort war er im Gefängnis. Nach dem Bericht der Apg hat Paulus in bewegenden Worten von seiner Gemeinden in Ephesus Abschied genommen (Apg 20).
Nun sieht der Seher Johannes gegen Ende des ersten Jahrhunderts aus Distanz auf diese Gemeinde von Ephesus. Was sieht er?
Er sieht Christus im Himmel, der sieben Sterne in seiner Rechten hält und inmitten der sieben goldenen Leuchter umhergeht: „So spricht Er, der die sieben Sterne in seiner Rechten hält und mitten unter den sieben goldenen Leuchtern einhergeht.“
Das ist ein kostbares Bild für jede christliche Gemeinde, für die Kirche als ganze wie auch für unser persönliches Leben.
Jede Gemeinde ist ein Leuchter, der bei Christus im Himmel steht. Jede Gemeinde ist also im Himmel verzeichnet, ganz nahe bei Christus. Christus ist jeder Gemeinde, jeder christliche Gemeinschaft, ganz nahe.
Und die Gemeinde ist eine Leuchte, ein Widerschein des Lichtes Christi, seiner Herrlichkeit.
In der Rechten hält Christus sieben Sterne. Das sind die sieben Engel der sieben Gemeinden. Sie beschützen die sieben Gemeinden. Wir können sagen: Christus hält jede Gemeinde in seiner Hand, unsere Pfarreien sind in der Hand Christi gehalten und geborgen. Die Gemeinden auf Erden sollen werden, was sie im Himmel darstellen: Lichter für Christus, und sie dürfen wissen: Wir sind nicht auf uns allein gestellt: Christus selber hält uns in Händen, bei ihm sind wir gehalten und geborgen. „Niemand wird sie meiner Hand entreissen“ heisst es im Joh-Evg. (Joh 10,28).
Der erhöhte Herr geht mitten unter den sieben Leuchtern einher, sagt der Seher Johannes. Das heisst: Christus geht unter uns einher, er ist in unserer Mitte, er ist in den Pfarreien, den Orden, der weltweiten Kirche gegen-wärtig.
Nun steht die Gemeinde Ephesus nach aussen hin tadellos da. Denn sie hat grosse Ausdauer und Geduld, sie hat Verfolgung ertragen und ist nicht müde geworden.
Aber etwas fehlt der Gemeinde. Es ist die erste Liebe. „Ich werfe dir aber vor, dass du deine erste Liebe verlassen hast.“
In der Gemeinde von Ephesus ist alles in Ordnung, aber es fehlt ihr das innere Feuer, die Leidenschaft für Christus.
Was heisst das für uns persönlich?
Äussere Korrektheit genügt nicht. Wo alles nach aussen hin in Ordnung ist, kann gerade das innere Licht, das innere Feuer erlöschen.
So mahnt der Seher Johannes die Gemeinde von Ephesus, unsere Pfarreien heute und uns ganz persönlich:
Kehre um, sonst wird dein Leuchter im Himmel von seiner Stelle gerückt, das heisst, du leuchtest nicht mehr, bist nicht mehr Widerschein des Lichtes Christi.
Es geht darum, immer wieder zur Mitte zurückzukehren, zu Christus, der sei-ne Gemeinden in Händen hält, der uns ganz nahe ist, bei dem wir gehalten und geborgen sind.
Auch in der zweiten Gemeinde, Thyatira, sind Geduld und Beharrlichkeit gefragt.
Der Sohn Gottes selber sagt über den Engel der Gemeinde: Wer im Glauben treu bleibt, wer sich von Irrlehren nicht anstecken lässt, wer nicht fremden Göttern nachgeht, dem werde ich den Morgenstern geben.
Der Morgenstern ist uns aus der Osternacht vertraut. Wir singen im Exultet:
Die Osterkerze leuchte fort, “um in dieser Nacht das Dunkel zu vertreiben … Sie leuchte, bis der Morgenstern erscheint, jener wahre Morgenstern, der in Ewigkeit nicht untergeht: dein Sohn, unser Herr Jesus Christus, der von den Toten erstand, der den Menschen erstrahlt im österlichen Licht, der mit dir lebt und herrscht in Ewigkeit.“
Der auferstandene Christus selber ist also der Morgenstern. Er ist auch uns-er Morgenstern. Er war es für die junge Gemeinde in Thyatira. Sie empfängt viel Lob. Christus kennt ihre Werke, ihre Liebe, ihren Glauben, ihre Ausdau-er. Ja die Christen in Thyatira haben in letzter Zeit gar mehr getan als am Anfang.
Wer treu bleibt im Glauben, dem wird der Morgenstern gegeben, der hat Anteil am Licht des auferstandenen Christus.
Für den Wanderer und den Seefahrer ist der Morgenstern am nächtlichen Himmel ein Zeichen der Orientierung und der Hoffnung. Es wird Tag, das Licht wird kommen.
Und so bedeutet dieses Christuswort vom Morgenstern auch für uns: Unser Leben geht auf das Licht hin, es bleibt nicht im Dunkel.
Gerade in dunklen Zeiten unserer Kirche, zu der die jetzige gewiss auch ge-hört, tut es gut, auf den Morgenstern zu schauen, auf jenen wahren Morg-enstern, der in Ewigkeit nicht untergeht.
Schwestern und Brüder,
wir sind nicht die ersten, die eine Krisenzeit der Kirche erleben. Für den Apostel Paulus gehören solche Zeiten zum Normalfall der Zeit der Kirche.
Auch die kleinasiatischen Gemeinden am Ende des ersten christlichen Jahr-hunderts haben Krisenzeiten erlebt, teils waren es Zeiten der Verfolgung, teils Zeiten der Ermüdung in Wohlstand und Reichtum.
Die erste grosse Kirchenkrise hat Maria erlebt, die Mutter des Herrn. Am Karfreitag sind alle davongelaufen, die Jünger und ihnen voran Petrus, der erste Papst. Geblieben sind Johannes und Maria. Maria stand unter dem Kreuz, hat standgehalten. Buchstäblich übersetzt heisst Hypomoné: unter etwas bleiben. Maria ist unter dem Kreuz geblieben.
Papst Franziskus hat letztes Jahr auf einem der Höhepunkte unserer Kirch-enskandale einen Brief an das Volk Gottes geschrieben.
Ich zitiere aus dem Schluss des Briefes – und das ist dann gleichzeitig der Schluss meines Impulses:
„Maria hat es vermocht, am Fuss des Kreuzes ihres Sohnes zu stehen. Sie hat es nicht in irgendeiner Weise getan, sondern sie stand aufrecht und direkt daneben. Mit dieser Haltung bekundet sie ihre Weise, im Leben zu stehen. Wenn wir die Trostlosigkeit erfahren, die uns diese kirchlichen Wunden ver-ursachen, wird es uns mit Maria gut tun, im Gebet zu verharren, indem wir versuchen, in der Liebe und Treue zur Kirche zu wachsen. Sie, die erste Jün-gerin, lehrt uns Jünger alle, wie wir uns angesichts des Leidens der Unschul-digen zu verhalten haben, ohne Ausflüchte und Verzagtheit. Auf Maria zu schauen heisst entdecken lernen, wo und wie wir als Jünger und Jüngerin-nen Christi zu stehen haben.“
Josef Annen