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Der Einfluss der Kirche und die Hochzeit eines Kronprinzen

  • Fr. Adrian

Der Glaube in unserer gesellschaftliche Situation und das Gleichnis vom Gastmahl in Matthäus 22,1-10

 

Schwindender Einfluss

In Kreisen, die mit der Kirche verbunden sind, wird häufig beklagt, dass die Kirche ihren Einfluss auf die Menschen in der westlichen Welt, in Europa und in Nordamerika verliert.  Da bestimmen andere Institutionen und Mächte die Öffentlichkeit. Manche Gläubige sind entmutigt. Die Erklärungen, warum das so ist, sind mannigfaltig. Es wird auf die Fehler und Versagen in der Kirche hingewiesen; es werden die gesellschaftlichen Veränderungen dafür verantwortlich gemacht, dass die Kirchen, katholische und protestantische, ihre Anziehungskraft verloren haben.

 

Soziologische Perspektive

In früheren Zeiten fiel der Kirche die Aufgabe einer Erzieherin zu. Sie bauten Schulen auf, zuerst für junge Männer, dann auch für Mädchen. Das Netz der Pfarreien, das über alle Länder ausgespannt war, war mit obligatorischem Gottesdienstbesuch verknüpft. Jeden Sonntag und an allen Festen kamen die meisten Bewohner zusammen und hörten die Predigten an. Bräuche aller Art gaben dieser Erziehung kulturelle Formen, die Herz, Gemüt und Verstand ansprachen. Die  Geistlichen und die Klöster, besonders die Klosterfrauen, gehörten zum Leben der Menschen in katholischen Gegenden; die Diakonissen entsprachen ihnen  in protestantischen Gebieten. So bildete sich eine umfassende gemeinsame Kultur und Tradition heraus, welche die Menschen von Generation zu Generation prägte.

 

Konkurrenz im Bereich Erziehung

Seit der Aufklärung im 18. und dann vermehrt im 19. Jahrhundert lösten sich viele von den Kirchen. Sie hatten ein anderes Bild vom Menschen und von der Welt. Sie wollten den Kirchen das Monopol der Erziehung entwinden. Die Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts waren mächtige Schubkräfte in diesem Wettkampf um die Erziehungshoheit in der Gesellschaft.

Konservative Länder und Regierungen sahen es dagegen gerne, wenn die Kirchen für Unterricht und Bildung ihrerer Bevölkerungen zuständig waren.

 

Die grosse Änderung nach dem ersten Weltkrieg

Die einflussreiche Rolle der Kirchen als Erzieherinnen der Bevölkerung wurde zuerst nicht im Schulwesen selbst angegriffen. Es waren die Kommunikationsmittel. Zuerst waren es die Zeitungen. Dann kam die technische Umwälzung der gesprochenen Medien. Bis zum 1. Weltkrieg war neben den Schulen aller Stufen die Presse das Kommunikationsmittel, aus dem alle, die lesen konnten, zu Informationen kamen. Das Radio war eine ganz neue Quelle der Information, leicht zugänglich erschwinglich, unterhaltsam, interessant, für jedes Alter und jeden Geschmack. Neben das Radio trat der Film, ein weiteres Kommunikationsmittel von stärkster Wirkung.

In den fünfziger Jahren kam das Fernsehen, das noch mächtiger als das Radio in die Haushalte und Lebensgewohnheiten Einzug hielt. Es wurde zur „Schule“, die jeden Tag mehrere Stunden lang ein unmittelbar anschauliches Bild von der Welt in die Seelen der Zuschauer hinein projizierte. Und in jüngster Zeit ergriffen die sozialen Medien die Führung in der Vermittlung von Kenntnissen in unabsehbar grosser Fülle.

 

Die Kirchen nehmen teil, bestimmen nicht

Im Unterschied zu den vorangehenden Zeiten hatten in diesen neuen Medien die Kirchen keinen Anteil mehr an Organisation, Gestaltung und Ausrichtung. Sie konnten sich an ihnen beteiligen, und sie taten das auch. Aber sie waren Gäste, Teilnehmer, Anbieter. Sie übten hier keine leitende Gewalt aus.  Die Art der Erziehung, was vermittelt wird, hängt nicht von ihnen ab.

Auf der andern Seite ist die Fülle der Informationen so gewaltig, dass die Medien selber sie nicht ordnen und gewichten können. Es ist ein Ozean fast ohne Ufer. Was die Kirchen vermitteln möchten, ist darin nur ein winziges Tröpfchen.

 

Die Hochzeit eines Kronprinzen

So ist die gesellschaftlich-kulturelle Atmosphäre, in der wir atmen. Die Soziologen beschreiben sie, doch das Soziologische ist nicht das Ganze! Jesus hat unter ganz andern Bedingungen gelebt, aber er hat bei seinen Zeitgenossen etwas Ähnliches beobachtet, wie wir es für die heutige Zeit erfahren.  Das hat er nach seiner Art in eine Geschichte, in ein Gleichnis von grossartiger Einfachheit gefasst. Es ist das Gleichnis vom königlichen Gastmahl, Matth 22,1-10  = Luk 14,15-24.

Da geht es um ein glänzendes Fest, das ein König aus Anlass der Hochzeit seines Sohns gibt, der wohl der Kronprinz ist. Man würde erwarten, dass sich alles um eine Einladung zu diesem Fest am Hof reissen würde. Unglaublicherweise ist das aber nicht der Fall. Die Leute sind selber zu beschäftigt, um sich dafür die Zeit zu nehmen.  Ihre eigenen persönlichen Interessen überwiegen an Gewicht die Auszeichnung, zu einem einmaligen Bankett im Königspalast eingeladen zu sein. Sie sind in ihrer eigenen Welt gefangen.

So verpassen sie die Chance, die sich nur einmal bietet, beim Hochzeitsfest des Königs und seines Nachfolgers anwesend zu sein. Das passiert ihnen, weil sie das Wichtige nicht vom Unwichtigen unterscheiden können.

 

Platz schaffen

Das Gleichnis Jesu hört nicht mit der unbegreiflichen Blindheit der eingeladenen Gäste für das Wichtigste auf, das ihnen dargeboten wird. Der König schickt seine Diener mit einer zweiten Einladung zu den Unglücklichen, Einsamen, Armen. Diese hätten von einer solchen Einladung zum Hochzeitsessen des Kronprinzen nie zu träumen gewagt. Sie werden sie mit ungläubigem Staunen annehmen und in ihrer Familie ein Leben lang davon erzählen.

So zeigt Jesus in seiner Geschichte vom Hochzeitsfest für den Kronprinzen, wie der Einfluss der Botschaft, welche die Kirche in die Welt bringt, trotz allem durchdringen kann. Es braucht dafür zwei Bedingungen: es braucht Menschen, die unter einem Mangel leiden, und es braucht Diener, welche ihnen die Einladung zum Bankett überbringen.

Es wird immer Personen geben, die einen wachen Sinn für die Mängel in der Welt haben. Vielleicht erfahren sie es bei sich selbst, dass ihnen Wichtiges fehlt, oder sie sehen es bei anderen und leben deshalb in Sorge um sie. Die Diener mit der Einladung in der Hand sind wir. Gott hat uns die Einladung zum Fest bei ihm übergeben, damit wir sie weiterverteilen. Die Einladung darf in der Flut von Angeboten nicht untergehen. Sie muss überbracht und bekannt gemacht werden.

 

Der stärkste Einfluss geht von Mensch zu Mensch

Die Kommunikation von Mensch zu Mensch ist die stärkste Kommunikation, auch heute noch im Dschungel der wuchernden sozialen Medien. Die ehrliche, menschliche Zuwendung zueinander ist immer die willkommenste Botschaft. So hat die Kirche begonnen. Menschen haben andern von ihrem Glauben an Gott, den Schöpfer der Welt und an Christus erzählt, und der Umgang mit ihnen und ihre echte Güte wirkten einladend. Daraus erwuchs die Kirche, und daraus lebt die Kirche auch heute.

Solche Qualitäten können technische Medien nicht entfalten. Es braucht die ganze Person, aus welcher etwas von Gottes Güte hervorleuchtet. Wenn die Kirche solche Diener und Dienerinnen Gottes hat, dann gehen ihre Botschaft und ihr Einfluss nicht unter.

Bernardo Strozzi, La parabole de l'invitation au mariage, esquisse pour une fresque, 1636. Accademia Ligustica di Belle Arti, Gênes. Wikipédia.

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