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Übersetzungsfehler in der Bibel?

  • Fr. Adrian

Die Wahl einer bestimmten Wiedergabe für eine mehrdeutige Wendung ist kein Fehler

 

Eine Hauptqualität jeder Übersetzung besteht darin, dass sie fehlerlos ist.

 

Das gilt auch für die Übersetzungen der Bibel. Doch was ist ein Übersetzungsfehler? Ungenauigkeiten oder ungeschickte Übertragungen sind keine Fehler. Ebenso ist die Wahl einer bestimmten Wiedergabe für eine mehrdeutige Wendung kein Fehler, z.B. kann man in 2 Mos 3,14 die Erklärung, die Gott von seinem persönlichen Eigennamen gibt, auf verschiedene Weise übersetzen: Ich bin der ich bin, oder: Ich bin, der ich sein werde, oder: Ich bin, der da ist, oder: Ich bin, wer immer ich bin. Alle diese Übersetzungen sind möglich, sinnvoll und daher richtig. Im Gegensatz dazu verfehlt ein Übersetzungsfehler das Gemeinte, zerstört den Sinn und verhindert das richtige Verständnis.

 

Solche Fehler sind in den modernen Bibelübersetzungen selten. Die jahrhundertelange Beschäftigung mit der Heiligen Schrift hat solche Fehler aufgespürt und beseitigt. Dennoch gibt es solche Fehler.

 

Ein Beispiel, wo ein Fehler in praktisch allen Bibelübersetzungen seit der lateinischen Übertragung des Kirchenvaters Hieronymus (um 400 n.Chr.) stehen geblieben ist, auch in Luthers und Zwinglis Übersetzungen und in der King James Bibel, findet sich in Jer 31,33. Hier muss das prophetische Wort richtig lauten: Ich habe mein Gesetz (oder: meine Torah) in ihre Mitte gegeben (nämlich beim Bundesschluss am Gottesberg Sinai oder Horeb, 2 Mos 24,1-11). Der Satz steht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft, denn er blickt zuerst auf dieses Ereignis zurück, bevor er in dann den Blick wendet und die Zukunft schaut: Danach werde ich mein Gesetz in ihr Herz schreiben. Dieser richtig verstandene Zusammenhang verlangt überdies, dass nicht mit "in ihr Inneres" sondern mit "in ihre Mitte" übersetzt wird.

 

Erst die Neue Zürcherbibel von 2007 hat die richtige Wiedergabe gewählt und steht damit fast ganz allein auf weiter Flur.

 

Wenn von Übersetzungsfehlern in der Bibel die Rede ist, denken die meisten sofort an die berühmte Weissagung des Propheten Jesaja: Siehe, die junge Frau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären (Jes 7,14). Der Evangelist Matthäus führt diese Stelle aus Jesaja im Wortlaut an: Dies alles ist geschehen, damit sich erfüllt, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: Siehe, die Jungfrau wird ein Kind empfangen, sie wird einen Sohn gebären. Matthäus hat an Stelle der jungen Frau den Ausdruck "Jungfrau" gesetzt. Das ist nicht seine Initiative gewesen. Er hat die altgriechische Übertragung aus dem 2. Jh. v. Chr. zitiert. Diese ist von jüdischen Übersetzern geschaffen worden.

 

Ist diese Wiedergabe der griechischen Bibel ein Fehler? Viele sagen es. Man muss aber genau hinsehen. Der Unterschied zwischen den beiden Ausdrücken "junge Frau" im hebräischen Wortlaut und "Jungfrau" in der griechischen Übertragung ist der Schritt von einer natürlichen zu einer wunderbaren Geburt eines Knaben. Der Prophet nennt die Geburt dieses Knaben ein Zeichen Gottes. Normalerweise haben Gottes Zeichen in der Bibel immer etwas von einem Wunder, weil es oft heisst: "Er allein wirkt grosse Wunder" (Ps 136,4). Wunder sind wie die Unterschrift Gottes unter sein Wirken in der Welt.

 

Aus diesem Grund hat der Übersetzer der griechischen Bibel das Wunder in Gottes Zeichen hervorgehoben. Es ist kein Fehler, sondern eine Verdeutlichung. Diese zerstört den gemeinten Sinn nicht. Sie unterstreicht das, was im ursprünglichen Wortlaut schon angelegt war. Man kann sich freilich fragen, ob eine solche Verdeutlichung erlaubt ist. Die alten jüdischen Übersetzer von Jeremia dachten, dazu seien sie berechtigt, und die ersten Christen (zu denen Matthäus gehörte) dachten ebenso.

 

Als Ergebnis lässt sich sagen, dass wir den grossen, von den Kirchen verantworteten Bibelübersetzungen vertrauen ürfen, was die Richtigkeit der Übersetzung betrifft. Eine ganz andere Frage ist die Qualität von Sprache und Stil in den verschiedenen Übertragungen.

 

Nach dem Artikel, diese musikalische Meditation.

 

In dieser Aufnahme der Gachinger Kantorei Stuttgart aus dem Jahr 2013 hören wir eine Passage aus dem Oratorium Der Messias von Georg Friedrich Händel.

 

Der Chor singt Zeilen aus Psalm 68, 12:

 

 Der Herr gab das Wort:
gross war die Menge der Boten Gottes. 

Der hl. Hieronymus in seiner Studierstube, Werkstatt Pieter Coecke van Aelst (um 1530). Wikipedia.

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